Ursprünge der Balfour Declaration – die Memoiren des James A. Malcolm

Johannes Freiland, 23.07.2023

Anhang 4 – Kritische Betrachtung von Malcolms Memoiren

Eine kritische Reflexion dieser Memoiren mit einigen Korrekturen gibt Jonathan Schneer in Kapitel 12 seiner umfassenden Betrachtung des Arabisch-Israelischen Konflikts, Buchtitel „The Balfour Declaration: The Origins of the Arab-Israeli Conflict“, Volltext online verfügbar. [JSN]

Jonathan Schneer (*1948) ist amerikanischer Historiker mit Schwerpunkt auf moderner britischer Geschichte, Professor am Georgia Institute of Technology, mit Lehraufträgen in Cambridge und Oxford.

Im Kapitel 12 „Forging the British-Zionist Connection“ stellt er u.a. heraus, dass sich Mark Sykes und britisch-jüdische Kreise schon eine Weile zuvor beschnuppert hatten, mindestens seit März 1916 in regelmäßigem Austausch standen, und die Grundidee der Formel „Palästina für die Juden und im Gegenzug volle weltweite jüdische Unterstützung für die Alliierten“ bereits aus verschiedenen Blickwinkeln bedacht wurde, jedoch bis dato erfolglos. Schneer meint dazu, Sykes hätte zum einen mit den falschen Juden gesprochen, nämlich einerseits mit den führenden britischen Juden, die sämtlich Antizionisten waren, und andererseits mit dem Zionisten Moses Gastner, eher Gelehrter als Politiker, dem es an Radikalität und Überzeugungsfähigkeit ebenso mangelte wie an Vernetzung mit den USA, der jedoch für seine Arroganz und sein aufbrausendes Temperament bekannt war. Außerdem hatte Premierminister Asquith der Idee ablehnend gegenübergestanden.

Malcolms Genie war es, zur rechten Zeit die richtigen Strippen zu ziehen und die richtigen Leute, nämlich die glühenden Zionisten um den willensstarken Strategen Weizmann und den geschickten Diplomaten Sokolow mit Mark Sykes in Verbindung zu bringen, und die radikale zionistische Idee einer jüdischen Staatlichkeit in Palästina einer Menge Leute schmackhaft zu machen, wovor die britische und französische Regierung bis dahin zurückgeschreckte, weil es sowohl für die gemäßigten britisch-jüdischen und französisch-jüdischen Kreise wie auch für die verbündeten Araber als völlig unannehmbar galt. Außerdem hatten die Alliierten im geheimen Sykes-Picot Abkommen zuvor schon beschlossen, Palästina unter internationale Kontrolle zu stellen, und die Briten hatten zudem in der McMahon-Hussein Korrespondenz auch den Arabern Versprechungen hinsichtlich Palästina gemacht!

Aber die Not der drohenden Niederlage liess nun Raum für wagemutige Ideen mit ungewissen Auswirkungen auf die Zukunft; Raum auch für Wortbruch und Vertragsbruch.

Weitere Quellen mit Würdigung von James A. Malcolm und seiner Rolle finden sich bei:

  • John, Robert: Behind the Balfour Declaration: The Hidden Origins of Today’s Mideast Crisis. [JOH]
  • Landman, Samuel: Great Britain, the Jews, and Palestine. [LAN1]
  • Sykes, Christopher: Two Studies in Virtue. [SYK]
  • Freedman, Benjamin H.: Speech at the Willard Hotel. [FRE1]
  • Pierce, William: Background to Treason: The Balfour Declaration: A Brief History of U.S. Policy in the Middle East [PIE]
  • Thomson, Malcolm: David Lloyd George, the Official Biography. [THO]