Wer oder was ist jüdisch? Aspekte jüdischer Identität

Johannes Freiland, 23.09.2024

1.  Jüdische Bankiers- und Kaufmannsdynastien, wichtige Einzelpersonen

  • Oppenheimer, Dynastie begründet von Samuel Oppenheimer (geb. 1630 in Wien), Bankier und Hoffaktor des österreichischen Kaisers Leopold I. Sein Sohn Simon Wolf Oppenheimer (geb. 1650 in Wien) war Hofjude des Hauses Brunswick-Lüneburg in Hannover und gründete das Bankhaus Oppenheim. Mit seiner Finanzierung bestieg Kurfürst Georg Ludwig 1714 den britischen Thron als George I. und begründete das Haus Hannover.
    Jakob Süß Oppenheimer (geb. 1698 als Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer in Heidelberg) alias „Jud Süß“, war Hoffaktor des Herzogs Karl Alexander von Württemberg; berüchtigt dafür, daß er dem Herzog großzügige ‚Geschenke‘ machte und sich dafür schadlos hielt, indem er Wege- und Brückenzölle erhob – also von der arbeitenden Bevölkerung nahm und es den Reichen und Mächtigen in die Taschen schob, dabei für sich selbst großzügig abzweigte.
    Zur Dynastie gehört auch die Privatbank Oppenheim, 1789 von Salomon Oppenheim Junior gegründet, bis zum Verkauf an die Deutsche Bank 2009 das größte unabhängige Bankhaus Europas, 2018 eingestellt.
  • Rothschild, Dynastie begründet von Amschel Moses Rothschild (geb. in Frankfurt), seinerseits Sproß einer alten Frankfurter Händler- und Geldwechsler-Familie, wurde Hoffaktor des Prinzen von Hessen. Sein Sohn Meyer Amschel Rothschild (geb. 1744 in Frankfurt) lernte das Gewerbe bei Oppenheimer und übernahm 1769 die Position als Hoffaktor von Hessen. Zweige des Familie siedelten in England, Frankreich und Österreich. Die Kriege zwischen Frankreich/Napoleon und den deutschen Fürsten mit ihrem enormen Finanzbedarf boten der Familie die Möglichkeiten zum raschen Aufstieg an die Spitze der Weltfinanz, insbesondere Nathan Mayer Rothschild (geb. 1777 in Frankfurt, geadelt 1822) als Gründer der Londoner Investmentbank N M Rothschild & Sons. Als die erste Zentralbank der USA First Bank of the United States 1791 gegründet wurde, besaß das englische Haus Rothschild 70% der Anteile. Die englischen Rothschilds stellten mit seinem Enkel Baron Nathan Rothschild ab 1885 den ersten britisch-jüdischen Adeligen und damit den ersten jüdischen Parlamentarier im britischen Oberhaus. Dessen Sohn Baron Walter Rothschild betrieb und finanzierte die zionistische Landnahme in Palästina und war Adressat der Balfour-Declaration.
  • Warburg Dynastie, eine Familie ursprünglich venezianischer Juden, zählten durch Geld- und Pfandleihe zu den reichsten venezianischen Familien des frühen 16. Jhd., damals unter dem Namen „Del Banco“ (Anselmo Asher Levi Del Banco, 1480–1532). Um Beschränkungen in Venedig zu entgehen, zogen sie 1556 nach Kassel/Hessen (Simon Del Banco alias Simon von Kassel) und dann 1557 weiter nach Warburg/Westfalen. Sie übernahmen diesen Wohnort als neuen Familiennamen. Levi Juspa Joseph Warburg (1627–1678) verlagerte den Stammsitz nach Altona bei Hamburg. 1798 in Hamburg Gründung der M. Warburg & Co durch Moses Marcus Warburg und Gerson Warburg, eine der ältesten Investmentbanken der Welt, bis heute in Familienbesitz. Paul Moritz Warburg gehörte zu den Gründern der FED und des CFR, er arbeitete auch bei Samuel Montagu, war verschwägert mit Solomon Loeb, war Partner bei Kuhn-Loeb gemeinsam mit Jacob Schiff.
    Sein Sohn James Paul Warburg arbeitete für die US-Regierung ab 1941 als Koordinator der Kriegspropaganda (Deputy Director, Office of War Information, Overseas Branch) und der Geheimdienstaktivitäten gegen Deutschland, er war ebenfalls Mitglied des CFR. Von ihm stammt das Zitat „Wir werden eine Weltregierung haben, ob es uns gefällt oder nicht. Die Frage ist nur, ob die Weltregierung durch Zustimmung oder durch Eroberung erreicht wird.“ (17.02.1950 vor dem US Senat)
    In London gründete Siegmund George Warburg 1938 das Bankhaus S. G. Warburg & Co. und wurde zu einem der bedeutendsten britischen Bankiers
  • Bischoffsheim, Dynastie begründet von Raphael Nathan Bischoffsheim (geb. 1773), Hoffaktor und Heereslieferant des Kurfürsten von Mainz. „Die Mainzer Familie war eng mit anderen jüdischen Bankiersfamilien aus ganz Europa verbunden, darunter Bamberger, Cassel, Goldschmidt, von Hirsch, Montefiore, Rothschild, Speyer und Stern.“ (Wiki)
    Zu den vielen Bankengründungen dieser Dynastie gehört 1821 in Frankfurt die Bank H. Goldschmidt, 1848 in Paris das Bankhaus Bischoffsheim, Goldschmidt & Cie, (aufgegangen in der heutigen Großbank BNP Paribas).
    Zur Familie gehört auch Moritz von Hirsch (1831–1896), Bankier und Unternehmer (u. a. Orientexpreß), Gründer der Jewish Colonization Association, über die Edmond James de Rothschild später die Masseneinwanderung nach Palästina organisierte.
  • Mendelssohn, Dynastie begründet von Moses Mendelssohn (geb. 1729 Dessau), einer zentralen Person der Haskala oder ‚jüdischen Aufklärung‘, Schwiegersohn von Abraham Gugenheim. Im Familienbesitz das Bankhaus Mendelssohn & Co. gegründet 1795 in Berlin von Joseph Mendelssohn, wichtigste preußische und deutsche Privatbank. Zuletzt geführt von Rudolf Löb (Jude, geb. 1877 in Wuppertal), 1938 arisiert und von der Deutschen Bank übernommen.
  • Sassoon, sephardische Kaufmannsfamilie Ibn Schoschon, aus Toledo/Spanien im 16. Jhd nach Bagdad gezogen, Sassoon ben Salih war Schatzmeister des Pascha von Bagdad. Sein Sohn David Sassoon erbte die Position, mußte aber 1828 nach Bushire/Persien fliehen, zog 1832 nach Bombay/Britisch Indien und gründete dort David Sassoon & Co., wurde Führer der indisch-jüdischen Gemeinschaft, machte sich den Spitznamen „Rothschilds des Ostens“ aufgrund enormen Reichtums durch Finanzierungen und Opiumhandel in Indien und Hongkong, kontrollierte 70% des Opiumhandels. Er plazierte seine Söhne als Köpfe der verschiedenen Zweige des Konzerns. David Sassoon erhielt 1853 die britische Staatsbürgerschaft, sein Sohn Abdullah Sassoon nannte sich Albert und heiratete eine Rothschild.
    David Sassoon & Co. waren Teil eines britischen Konsortiums welches 1865 die Hong Kong & Shanghai Banking Corporation (HSBC) gründete, beteiligt 1873 an der Gründung der Anglo-California Bank, an der Gründung 1899 der Imperial Bank of Persia.
    Eliau Nissim Joseph Sassoon (1926–2010) gründete die ägyptische Privatbank Banque du Caire und stieg später in die Ölindustrie ein, u.a. Anglo-Persian Oil Company (1954 umbenannt in The British Petroleum Company, heute BP) und Standard Oil. Er gründete die Sassoon Cattaui Investment Holding, einen Hedgefond. Heute noch aktiv ist Sassoon Financial Group LLC als Vermögensverwaltung der Familie Sassoon.
  • Bleichröder, Samuel Bleichröder (geb. 1779) gründete 1803 die Bank Bleichröder.
    Samuels Sohn Gerson von Bleichröder (1822-1893) führte die Geschäfte weiter. Er war Freund Otto von Bismarcks und der erste Jude, der in Preußen geadelt wurde. Er machte Bleichröder zur deutschen Korrespondenzbank der Rothschilds. Er war einer der Ideengeber für den „Zollverein“, die preußische Freihandelszone, der Haupt-Finanziers des preußischen Staates und einer der wichtigsten preußischen Staatsmänner.
    Samuels zweier Sohn Julius (Israel Levy) Bleichröder (1828-1907) gründete die Bank Julius Bleichröder & Co.
    Durch Fusion von S. Bleichröder mit dem Bankhaus Gebrüder Arnhold (jüdische Privatbank in Dresden) entstand 1931 die Investmentbank Arnhold and S. Bleichroeder, 1937 in die USA umgezogen, 2009 umfirmiert zu First Eagle Investments, immer noch wesentlich in Familienbesitz.
  • Kuhn-Loeb & Co. gegründet 1867 von Abraham Kuhn (geb. 1819 in Harxheim/Hessen) und seinem Schwager Solomon Loeb (geb. 1828 als Sohn eines Weinhändlers aus Worms), weitergeführt von Jakob Schiff (Jude) und Paul Warburg (Jude), war die zweitgrößte Investmentbank des frühen 20. Jhd., finanzierte Western Union und Westinghouse. 1977 fusioniert mit Lehmann Bros. und 1984 in American Express
  • Schiff, Jacob Heinrich Schiff (geb. 1847 in Frankfurt), Sproß einer alten Rabbinerfamilie. Sein Vater Moses Schiff war Bankier bei Rothschild. Jacob Schiff war 1870 Gründer der Continental Bank of New York, 1873 Leiter der London & Hanseatic Bank, seit 1875 Partner und seit 1885 Direktor bei Kuhn-Loeb, Direktor der National City Bank of New York, Direktor der Equitable Life Assurance Society, Direktor der Wells Fargo, Direktor der Western Union Telegraph Company, Direktor der Union Pacific Railroad. Einer der einflußreichsten Persönlichkeiten der Wall Street 1880-1920.
  • Guggenheim, Industriellen-Familie. Amerikanische Linie begründet von Simon Guggenheim (geb. 1792 in Lengnau/Schweiz, 1847 ausgewandert), sein Sohn Meyer Guggenheim begründete mit einer Silbermine, die er 1881 in Philadelphia erwarb, einen mächtigen Bergbaukonzern. Dessen Sohn Solomon R. Guggenheim führte das Geschäft fort und stiftete das Guggenheim Museum. Der Guggenheim Konzern beherrschte die weltweite Kupferproduktion und viele Zulieferer für Bergbautechnik, u.a. geführt von Benjamin Guggenheim, der 1912 mit der Titanic unterging.
    Zur Familie gehört die Investmentbank Guggenheim Partners
  • Dreyfus, die Louis Dreyfus Gruppe, gegründet 1851 im Elsaß von Léopold Louis Dreyfus, war um 1900 der größte Getreidehändler der Welt und gehört noch heute zu den vier größten Nahrungsmittelhändlern der Welt. 1905 wurde die Banque Louis-Dreyfus gegründet. Seine Söhne Louis und Charles führten den Konzern weiter. Zählt zu den reichsten Familien Frankreichs.
  • Lehman, dieser ursprünglich deutsch-jüdischen Familie aus Würzburg gehörte eine der größten amerikanischen Investmentbanken, gegründet 1850, groß geworden im Baumwollhandel. Gründer: Henry Lehman (geb. Hayum Lehmann), Emanuel Lehman (geb. Mendel Lehmann) und Mayer Lehman.
  • Salomon, Familie begründet von Haym Salomon (Sepharde), geb. 1740 in Polen, 1775 nach New York ausgewandert. Freimaurer, Hauptfinanzier der Amerikanischen Revolution.
    Seine Nachkommen gründeten u.a. Salomon Brothers, eine der größten Investmentbanken, gegründet 1910 von Arthur, Herbert und Percy Salmon. Percys Sohn William Salomon übernahm 1963, ab 1978 dann CEO John Gutfreund (Jude) mit dem Beinamen „King of Wall Street“.
    Salomon ist 2003 aufgegangen in der Citigroup Inc.
  • Bamberger, eine Dynastie von Bankiers und Politikern, begründet vom Mainzer Kaufmann und Bankier August Bamberger (geb. 1790).
    Ludwig Bamberger (1823–1899), war Mitbegründer der Deutschen Bank.
    Henri Bamberger (1826–1908), Mitbegründer der Banque de Paris et des Pays-Bas (aufgegangen in der heutigen BNP Paribas)
  • Fürstenberg, Carl Fürstenberg (geb. 1850 Danzig), wurde 1870 Geschäftsführer beim Bankhaus S. Bleichröder, 1883 Geschäftsinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft (BHG). Die BGH war ein Konsortium jüdischer Privatbanken (Bleichröder, Magnus, Mendelssohn, Warschauer, Oppenheim) und wurde die führende deutsche Industrie-Bank (u.a. Eisenbahnbau, Mannesmann, Hibernia, AEG)
    Sein Sohn Hans Fürstenberg führte die Geschäfte bis 1937 weiter, ging 1948 erneut in die Leitung der BGH, war bis 1972 Vorsitzender des Aufsichtsrates.
  • Montagu, Samuel Montagu, geadelt als 1. Baron Swaythling, gründete 1853 die Bank Samuel Montagu & Co., die bis 1974 im Familienbesitz war und hernach von der Midland Bank aufgekauft wurde, heute Teil von HSBC. Sein Sohn Lord Edwin Montagu war Staatssekretär für Indien und Anti-Zionist.
  • Marks, bekannt durch die Kaufhauskette Marks&Spencer (zweitgrößte der Welt nach Wal-Mart), gegründet 1884 von Michael Marks (geb. 1859 als Michał Marks, polnischer Jude) und Thomas Spencer (Nichtjude), weitergeführt von Lord Simon Marks, dann von seinem Schwager Israel Moses Sieff, lange im Besitz der Familie Marks/Sieff.
  • Wertheimer Dynastie, Gründer und Besitzer u.a. des Luxusartikelherstellers Chanel. Pierre Wertheimer war Gründer und Finanzier von Chanel, gefolgt von seinem Sohn Jacques Wertheimer; dessen Söhne Alain Wertheimer und Gérard Wertheimer sind heute Eigentümer.
  • Adler, Bankiersdynastie dänischer Juden begründet von Baruch Isak Adler (geb. 1789) in Kopenhagen. Sein Sohn David Baruch Adler (geb. 1826) gründete 1850 die Bank B. Adler & Co., war 1868 Mitgründer der Privatbanken, 1875 Gründer der Kjøbenhavns Handelsbank (heute Dankse Bank), Mitgründer vieler dänischer Banken, so 1871 Nye Jyske Købstadskreditforening, 1876 Jysk Handels- og Landbrugsbank. Geschäfte wurden weitergeführt vom Sohn Bertil Adler.
    Einer seiner Nachfahren war der Physiker Niels Bohr.
  • Bernard Mannes Baruch (1870-1965), Sohn eines preußischen Juden, wurde als Aktienhändler an der Wall Street einer der reichsten Amerikaner, organisierte die amerikanische Kriegswirtschaft für den Ersten Weltkrieg (sein Gegenspieler auf deutscher Seite war ebenfalls Jude: Walther Rathenau) und beriet Wilson bei den Versailler Verhandlungen. Beriet auch Roosevelt bei der Kriegswirtschaft für den Zweiten Weltkrieg und leitete das War Production Board.